Emil Schumacher: o. T. 1970
Der Bau des Abgeordnetenhochhauses 1966 bis 1969 markierte das Ende der baulichen Provisorien des Bundestages in Bonn. Das alte Abgeordnetenhochhaus aus dem Jahr 1953 bot schon bei Eröffnung zu wenig Bürofläche für die stetig wachsende Zahl von Abgeordneten, aber ein 1956 verfügter Ausbaustopp wurde erst Anfang der 1960er-Jahre gelockert. Das daraufhin durch den international berühmten Architekten Egon Eiermann errichtete neue Abgeordnetenhochhaus bot mit 30 Etagen und 114 Metern Höhe ausreichend Platz für zahlreiche Abgeordnetenbüros und Sitzungssäle. Nicht nur durch seine Höhe überblickt der „Lange Eugen“ – benannt nach dem damaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier – markant Stadt und Fluss, auch die Ausgestaltung durch Eiermann spiegelt in jedem Detail das moderne neue Selbstbewusstsein der jungen Bundesrepublik wider. Dieser repräsentative Charakter sollte auch in der Kunst am Bau zur Geltung kommen, sodass durch den Architekten und die Bundesbaudirektion insgesamt zwölf Künstler direkt ausgewählt wurden, darunter so renommierte wie Emil Schumacher, Fritz Koenig, HAP Grieshaber und Günther Uecker. Sie repräsentierten durch unterschiedliche künstlerische Techniken und Stile die Bandbreite ästhetischer Ausdrucksmöglichkeiten der Zeit in Deutschland. Auch die Standorte für die Kunst waren sorgfältig gewählt, um dieser höchste Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und ihren repräsentativen Charakter zu betonen. Acht Künstler wurden eingeladen, die Wandfelder über den Doppelflügeltüren in den Sitzungssälen zu gestalten. So war eine einheitliche Einbindung in das strenge architektonische Raster möglich, während die ausgewählten Künstler ganz unterschiedliche ästhetische Lösungen hervorbrachten. Die Supraporte, die Emil Schumacher (1912-1999) für das Abgeordnetenhaus in Bonn gestaltete, beeindruckt durch ihre malerische Qualität. Der weiß, schwarz und blau bemalte Bildträger ist partiell auf eine Metallplatte aufgesetzt, sodass sie durch den Faltenwurf und den durchschimmernden Untergrund einen Objektcharakter erhält. Die fünfeckige Form erinnert an die Silhouette eines Hauses oder Zeltes. Die Teilung in zwei Hälften folgt der Linie zwischen den beiden Flügeltüren und gibt der Arbeit damit eine Symmetrie, die gleichzeitig die Eingangssituation betont. Der handwerkliche, haptische Charakter der Arbeit bricht mit der klaren vorgegebenen Struktur der Architektur, ohne sie gänzlich zu durchbrechen. Das Werk gibt damit dem Saal einen einzigartigen, individuellen Charakter. SvM
Weiterführende Literatur Online:
Anne Schmedding / Constanze von Marlin (Autoren), BMVBS (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes seit 1950. BMVBS-Online-Publikation 25/2012.
Claudia Büttner (Autorin), BMVBS (Hrsg.): Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland, BMVBS-Online-Publikation, Berlin 2011.
Weiterführende Literatur:
Wolfgang Leuschner: Bauten des Bundes 1965-1980, hrsg. v. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Karlsruhe 1980.
Wolfgang Leuschner: ‚Kunst am Bau‘ oder mehr als das? In: Die Bauverwaltung, Nr. 9/1973, S. 450-457.
Malerei
Pappe, geformt, bemalt und auf Aluminiumplatten montiert
250 x 230 cm
Direktvergabe
UN-Hochhaus (Langer Eugen)
Supraporte Sitzungssaal 2305
nicht öffentlich zugänglich/einsehbar
Künstler : Emil Schumacher
Emil Schumacher (1912 Hagen - 1999 San José/Ibiza), deutscher Maler, wichtiger Vertreter des Informel. Studium der freien Grafik an der Kunstgewerbeschule Dortmund. Tätigkeit als freier Maler ab 1945, zuerst kubistisch geprägt, dann zunehmend Farbfeldmalerei. Beteiligung an zahlreichen bedeutenden Ausstellungen im In- und Ausland, u. a. an der documenta 2, 3 und 6 in Kassel. 1966-1977 Professor an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Neben Malerei auch einige Kunst-am-Bau-Aufträge, z. B. Mosaikarbeiten für die U-Bahn-Station Colosseo in Rom.
Architektur: Egon Eiermann
Bauzeit: 1966-1969
UN-Campus
Platz der Vereinten Nationen 1
53113 Bonn
Nordrhein-Westfalen
Das nach dem damaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier benannte Abgeordnetenhochhaus wurde 1969-2000 vom Deutschen Bundestag genutzt und nach denkmalgereichter Sanierung durch HPP Hentrich-Petschnigg & Partner 2006 an die Vereinten Nationen übergeben.