Jürgen Partenheimer: o. T. 2001
Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland bezog 1999 den gewaltigen fünfgeschossigen Gebäudekomplex am Werderschen Markt in Berlin. Der Flügelbau war eine Erweiterung der früheren Reichsbank und wurde später vom Zentralkomitee der SED genutzt. Dieser von dem Architekten Hans Kollhoff sanierte Altbau wurde durch den gleichzeitig als Haupteingang dienenden Neubau mit drei Lichthöfen der Architekten Thomas Müller und Ivan Reimann erweitert. Im Zuge dieser repräsentativen, besonders auch hinsichtlich der politischen Außenwirkung der Bundesrepublik wichtigen Bauunternehmung kam es – in Umsetzung des Kunstkonzeptes, das der Kunstbeirat der Bundesregierung für die Baumaßnahmen des Bundes erarbeitet hatte – zu mehreren Direktvergaben und Wettbewerben, die zu grundverschiedenen Kunstwerken führten.
Auch Jürgen Partenheimer, der den Wettbewerb für den Standort „Besucherwarteraum“ im Neubau gewann, vertritt als Repräsentant einer subjektiven Abstraktion mit Tafelbildern eine ganz eigene Position. Im Warteraum des Erweiterungsbaus, der sich an den öffentlich zugänglichen Lichthof anschließt, hängen drei jeweils aus neun Aluminiummodulen zusammengesetzte große Hochformate in Mischtechnik. Die im Spritzlackverfahren farbig gefassten Platten bilden ein konstruktives Gerüst aus klar voneinander abgegrenzten Flächen. Diese verleihen den Bildern eine tektonische Stabilität, die eine solide ästhetische Grundlage der darüber mit Fettstift angebrachten freien Zeichnungen bildet. Die sensiblen lyrischen Zeichnungen bilden offene Formen und elliptisch und kreisförmig geschlossene Formen und Strukturen aus. Die Zusammengehörigkeit der drei Bilder im Sinne der Urheberschaft ist unübersehbar. Darüber hinaus erzeugen die farblichen und formalen Äquivalenzen und Korrespondenzen einen zwingenden Zusammenhang, der sich atmosphärisch auf den ganzen Raum überträgt.
Die Bilder sind nicht fest mit dem Gebäude verbunden. Sie wären grundsätzlich auch einzeln oder anders gehängt vorstellbar. Dennoch sind sie im eigentlichen Sinn „Kunst am Bau”. In ihrer Platzierung in den äußeren Zwischenräumen der Pfeiler an der Längswand beziehungsweise an der Stirnwand auf der rechten Seite verfügen sie über die integralen Qualitäten einer Installation und stellen – sowohl in ihren lyrischen wie auch in ihren konstruktiven Momenten – zum architektonischen Gefüge des Warteraums mit seinen Flächen und Stützen eine stringente Beziehung her. Die Einladung Jürgen Partenheimers zum Kunstwettbewerb hatte übrigens der Architekt angeregt. MS/JS
Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel / Johannes Stahl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes von 1980 bis 2010. BBSR-Online-Publikation 13/2014, Bonn, Dezember 2014.
Weiterführende Literatur:
Kunst am Bau. Die Projekte des Bundes in Berlin, hrsg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (BMVBW), Berlin 2002, S. 116-117.
Tafelbild / Gemälde
Spritzlacktechnik, Siebdruck, Fettstift auf Aluminium
3 Tafeln je 225 x 173 cm
153.388 €
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb mit 15 Teilnehmern
Neubau Werderscher Markt
Besucherwarteraum
während der Öffnungszeiten zugänglich
Künstler : Jürgen Partenheimer
Jürgen Partenheimer (*1947 in München) ist Maler, Bildhauer und Objektkünstler. Partenheimer studierte Philosophie und Kunstgeschichte mit anschließender Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität in München sowie Kunstgeschichte und Freie Kunst an der University of Arizona in Tucson. Partenheimer hatte mehrere Lehraufträge und Gastprofessuren, u.a. an der University of Arizona, Tuscon, der Staatlichen Akademie der bildenden Künste, Düsseldorf, der Rijksakademie van Beeldende Kunsten, Amsterdam, und dem Edinburgh College of Art. Er erhielt zahlreiche Preise und Ehrungen, u.a. den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler. Er nahm an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland teil, u.a. an den Biennalen von São Paulo und Venedig. Weltweit bekannt sind seine hochaufragenden „Weltachsen“. Als Kunst am Bau im Auftrag des Bundes realisierte er eine Weltachsen-Stele für den Vorhof des Bundesarbeitsgerichtes in Erfurt (1999) sowie drei Bildtafeln für den Erweiterungsbau des Auswärtigen Amtes in Berlin (o.T., 2000). Jürgen Partenheimer lebt in München und Italien.
Neubau Werderscher Markt Berlin
Architektur: Müller Reimann Architekten
Bauzeit: 1997-1999
Auswärtiges Amt
Werderscher Markt 1
10117 Berlin