Veronika Kellndorfer: Palazzo Postale 1999

  • Veronika Kellndorfer: Palazzo Postale, 1999 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / Martin Seidel (2007)

    Veronika Kellndorfer: Palazzo Postale, 1999 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / Martin Seidel (2007)

  • Veronika Kellndorfer: Palazzo Postale, 1999 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / Martin Seidel (2007)

    Veronika Kellndorfer: Palazzo Postale, 1999 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / Martin Seidel (2007)

  • Veronika Kellndorfer: Palazzo Postale, 1999 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / Martin Seidel (2007)

    Veronika Kellndorfer: Palazzo Postale, 1999 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / Martin Seidel (2007)

Im großen Verhandlungssaal im Erdgeschoss des Bundesarbeitsgerichts befindet sich die Installation „Palazzo Postale“ von Veronika Kellndorfer. Mit einigem technischem Aufwand und nicht ohne Auswirkungen auf den Schallpegel im Raum hat die Künstlerin die Eingangswand und Teile der Stirn- und Rückwand durch über Eck gezogene raumhohe Glastafeln ersetzt. In der für Kellndorfer typischen Weise sind den Glasflächen im Siebdruckverfahren Fotos einer fremden Architektur aufgedruckt. Im Bundesarbeitsgericht sind es Fotos der dreigeteilten Lamellenfenster des Palazzo delle Poste in Neapel. Die Fotos zeigen vor den Fenstern ein paar Einrichtungsgegenstände und dahinter benachbarte Palazzi. Passgenau sind sie den Raummaßen des Erfurter Sitzungssaals einverleibt. Sie schaffen illusionistisch Transparenz und reflektieren das einfallende Licht. Zum anderen transzendiert die Intervention die Einmaligkeit des Ortes und öffnet räumliche und zeitliche Perspektiven. Die Architektur der Moderne spielt bei Kellndorfer immer eine Rolle. Im Falle des zitierten Hauptpostamtes in Neapel, das 1933-36 als typisches Beispiel des architektonischen Rationalismus errichtet worden war, ist offenbar keine weiterführende inhaltliche Auseinandersetzung beabsichtigt, weder was die Funktion und Geschichte des Gebäudes noch was dessen Architektur anbelangt. Auch kann man aus diesen Glaswänden mit Ansichten eines Bauwerks aus der Zeit des (damaligen) italienischen Faschismus nicht die Intention herauslesen, die Transparenz demokratischer Entscheidungsprozesse beim Bundesarbeitsgericht zu symbolisieren. Entscheidender sind die formalen Analogien, die dieses Juxtapositum zweier Architekturen vor allem ästhetisch und von der Wahrnehmungsseite her wichtig erscheinen lassen. Darauf deutet auch der mediale Umgang mit den Fotos in der hinteren Saalhälfte. Dort arbeitet Kellndorfer mit Positiven, während im vorderen Bereich Negative Verwendung finden. Die Öffnung des Raumes, das Spiel mit Innen und Außen und der Wechsel vom eher malerischen und helleren Positiv zum eher grafischen und dunkleren Negativ widersetzen sich in bravouröser Gelassenheit der gediegenen, mitunter zu einer gewissen Sterilität und Monotonie neigenden Eigenästhetik der Innenräume des BAG. Nicht zuletzt im spielerischen Nebenmotiv der unterschiedlich abgewinkelten Lamellen verleiht Veronika Kellndorfer einem Ort der letztinstanzlichen Arbeitsgerichtsbarkeit eine allgemeinere, lebensnähere und angenehmere Atmosphäre. MS

Weiterführende Literatur:
Veronika Kellndorfer: Architektur des Alltags. Arbeiten und Projekte im öffentlichen Raum, Berlin 1998.
Kunst am Bau. Projekte des Bundes 2000–2006, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Bönen 2007, S. 48-180, S. 100-109.
Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (Hg.): B Art G. Kunst am Bundesarbeitsgericht, Zweite überarbeitete Auflage, Erfurt 2014.
Staatsbauamt Erfurt: Ankunft in Erfurt. Das neue Bundesarbeitsgericht, o.J. (Broschüre).


Installation
Glastafeln, im Siebdruckverfahren mit Fotos bedruckt
33.745 €
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb mit 11 Teilnehmern

Bundesarbeitsgericht
Verhandlungssaal im EG
nicht öffentlich zugänglich/einsehbar

Künstlerin : Veronika Kellndorfer

Veronika Kellndorfer, geboren 1962 in München, ist bildende Künstlerin. Sie studierte an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und an der Hochschule der Künste in Berlin und erhielt zahlreiche Stipendien, u. a. der Villa Serpentara, Olevano Romana (1996), der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart (2000), der Villa Aurora, Pacific Palisades (2003), der Villa Massimo, Rom (2005) und der Villa Kamogawa Kyoto (2012). 2014 war sie Senior Fellow am Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie IKKM der Bauhaus-Universität Weimar. Häufiges Thema in ihren Arbeiten sind architektonische Elemente und Bauwerke der Moderne, die sie mit einer Plattenkamera fotografiert und in Siebdruckarbeiten übersetzt, um durch Überlagerungen und Verschränkungen von Strukturen neue Sichtweisen und Realitätsebenen zu schaffen. Kellndorfers Werke sind in deutschen und internationalen Museen zu finden, so zum Beispiel in Berlin, Bonn, Cottbus, München, San Diego und São Paulo. Thematik und Arbeitsweise prädestinieren sie aber insbesondere für Kunst im öffentlichen Raum und Kunst am Bau, so dass sie neben Arbeiten für den öffentlichen Raum von Berlin und München auch für den Bund schon mehrfach Kunst am Bau realisiert hat, u.a. für das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (1999), das Justizzentrum in Aachen (2008), das BMFSFJ in Berlin (2010), das Fraunhofer Institut in Augsburg (2013) und den Deutschen Bundestag in Berlin (2016).

Bundesarbeitsgericht

Architektur: Weinmiller Architekten BDA
Bauzeit: 1996-1999

Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Thüringen

Der neue Dienstsitz des Bundesarbeitsgerichtes entstand im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands, nachdem die Föderalismuskommission 1992 die Verlegung der Institution von Kassel nach Thüringen beschlossen und man sich auf Erfurt als neuen Standort geeinigt hatte.

Weitere Kunstwerke: Bundesarbeitsgericht, Erfurt

Weitere Kunstwerke: Kellndorfer, Veronika