Wolfgang Nieblich: Säule 1993

  • Wolfgang Nieblich: Säule, 1993 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / Johannes Stahl (2016)

    Wolfgang Nieblich: Säule, 1993 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / Johannes Stahl (2016)

Die Deutsche Nationalbibliothek verfügt über zwei Standorte: Neubauten für diese wichtige, und vom Bund als Träger übernommene kulturelle Institution existieren in Frankfurt am Main und am traditionellen Sitz der Deutschen Bibliothek in Leipzig. Die deutsche Wiedervereinigung und die damit einhergehende stärkere Berücksichtigung des Stammsitzes machte während der 1990er Jahre eine organisatorische Umplanung nötig.
Funktionsbedingt existieren in der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main neben repräsentativen Räumen, wie dem flach überkuppelten Eingangsbereich, den Lese- und Vortragssälen für den Publikumsverkehr auch eine größere Anzahl von Büroräumen. Sie erstrecken sich vor allem in den beiden Gebäudeflügeln entlang der Straße. Dieser Bereich ist nicht öffentlich zugänglich und durch entsprechende Türen vom Publikumsverkehr abgegrenzt.
Neben den durch die Ankaufskommission ausgewählten künstlerischen Positionen stand der Bibliothek ein kleinerer Betrag aus Restmitteln für Kunst am Bau zur Verfügung. Aus diesem Fundus wurden Arbeiten auf Papier des Berliner Künstlers Wolfgang Nieblich angekauft. Sie wurden gerahmt in den Fluren angebracht. Werke des in Berlin lebenden Künstlers sind auch in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig vertreten.
Nieblichs Reliefgemälde „Säule“ bildet einen besonderen Akzent in Bezug auf die Platzierung und hinsichtlich des Motivs. Es befindet sich unmittelbar hinter dem Eingang zum nichtöffentlichen Mitarbeiterbereich und ist vor einer Betonwand angebracht. Das in Mischtechnik auf Holz gemalte Reliefbild verweist im Titel auf das architektonische Element der Säule, ist jedoch keineswegs in das architektonische Gefüge der Wandflächen mit ihren charakteristischen Bindlöchern eingebunden. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich dieses architektonische Fragment ohne die traditionell üblichen Elemente Basis oder Kapitell als hoch getürmter und sich nach oben leicht verjüngender Stapel aus Büchern, deren Rücken sichtbar sind. Durch ihre plastische Hervorhebung entsteht eine Art Relief im Bild, das wiederum durch vertikale Linien und verlaufene Farbe überlagert wird. Dabei erzeugen diese weißen gestischen Farbspuren einen Eindruck wie Kanneluren einer Säule.
Mit dieser Arbeit schafft Nieblich nicht zuletzt einen weiteren Verweis auf die zahlreich in der Bibliothek gehorteten Bücher, die letztlich der Anlass des Gebäudes sind. Im übertragenen Sinn stellen sie das Baumaterial oder die Substanz des Hauses dar, für das mitunter die Bezeichnung „Büchertürme“ kursiert. JS

Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel / Claudia Büttner / Johannes Stahl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 300 Kunst-am-Bau-Werken des Bundes von 1950 bis 2013, BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2018, Februar 2018.

Weiterführende Literatur:
Lehmann, Klaus-Dieter / Kolasa, Ingo, 1997: Deutsche Bibliothek Frankfurt am Main. Ein Dialog zwischen Architekten und Bibliothekaren, S. 116-117
Staatliche Neubauleitung Deutsche Bibliothek (Hg.), 1996: Die Deutsche Bibliothek Neubau, Frankfurt am Main, S. 30-31
Nieblich, Wolfgang, 1988: KunstBuchKunst, Ausstellungskatalog Deutsche Bibliothek, Frankfurt am Main


Tafelbild / Gemälde
Mischtechnik auf Holz
ca. 40 x 220 cm
22.787 €
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb mit 14 Teilnehmern

Deutsche Nationalbibliothek
Erdgeschoss, neben Diensteingang
während der Öffnungszeiten zugänglich

Künstler : Wolfgang Nieblich

Wolfgang Nieblich (1948 in Reutlingen, lebt in Berlin) ist ein deutscher Künstler und arbeitet vornehmlich mit dem Medium Buch. Nach einer Facharbeiterausbildung und einem begonnenen Mathematikstudium in Jena zog er nach Berlin und studierte von 1970 bis 1974 an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee. Über den gemeinsam mit seiner Frau Catharine J. Nicely betriebenen PalmArtPress Verlag verlegt Nieblich seine oft aufwändigen Bücher und buchaffinen Objekte. Kunst am Bau existiert von ihm ansonsten nicht.

Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main

Deutsche Nationalbibliothek

Architektur: Mete Arat, Hans-Dieter Kaiser, Gisela Kaiser
Bauzeit: 1992-1996

Deutsche Nationalbibliothek
Adickesallee 1
60322 Frankfurt am Main
Hessen

Den 1981 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb gewannen die Stuttgarter Architekten Mete Arat, Hans-Dieter Kaiser und Gisela Kaiser 1983 und erhielten auch den Planungsauftrag. Die Realisierung erfolgte 1992-96, eröffnet wurde der Bibliotheksbau 1997.