Hans-Georg Kern: Armalamor 1994

  • Hans-Georg Kern: Armalamor, 1994 / Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2016)

    Hans-Georg Kern: Armalamor, 1994 / Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2016)

  • Hans-Georg Kern: Armalamor, 1994 / Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

    Hans-Georg Kern: Armalamor, 1994 / Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

  • Hans-Georg Kern: Armalamor, 1994 / Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

    Hans-Georg Kern: Armalamor, 1994 / Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

Der Planungsprozess für den Neubau der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main setzte bereits in den frühen 1980er Jahren ein, als man über einen zentralen Standort dieser Institution für die damalige Bundesrepublik nachdachte. Der traditionelle Sitz der Deutschen Bibliothek in Leipzig war von Westdeutschland aus weitgehend unzugänglich. Entsprechend groß angelegt war das mehrfach gegliederte Gebäude an der Frankfurter Adickesallee. Die mit der Wiedervereinigung einhergehende Berücksichtigung des Stammsitzes erforderte eine organisatorische Umplanung, ohne dass damit die generelle Disposition des Gebäudekomplexes aufgegeben werden musste.
Der zentralen Kuppelhalle kommt im Neubau der Deutschen Nationalbibliothek eine Schlüsselrolle zu. Durch die verglaste Eingangspartie bereits wahrnehmbar, ist sie gleichzeitig Foyer wie Verteilraum für den Zugang zu Lesesaal und Bürotrakten. Weiter erschließen sich unter der flachen Glaskuppel die Vortragsräume, der Zugang zur Tiefgarage und der Durchgang zum rückwärtig gelegenen Garten. Um solche Funktionen besser sichtbar zu machen, änderten die Architekten Mete Arat, Hans-Dieter Kaiser und Gisela Kaiser den ursprünglichen Plan. Die anfangs zum Garten hin geschlossen vorgesehene Wand beispielsweise wich der nunmehr realisierten Glaswand.
Für die Kunst am Bau-Planungen kam der Kuppelhalle eine zentrale Rolle zu. Hierfür hatte die Findungskommission Vorschläge von Jochen Gerz eingeholt sowie eine bereits vorhandene Skulptur von Georg Baselitz vorgeschlagen. In mehreren Sitzungen einigte man sich auf den Ankauf der Baselitz-Arbeit. Sie überzeugte die Kommission durch die Vielansichtigkeit und ihren Charakter als Kernplastik. Die äußeren Umstände ihrer Aufstellung lassen sie in der Typologie zahlreicher ähnlicher Platzierungen von Skulpturen im Zentrum eines Kuppelraumes stehen. Auch der von Baselitz gegebene Titel „Armalamor“ spielt auf die europäische Kunstgeschichte an: anklingende Namen von Jean Arp, Heri Laurens und Henry Moore stehen für abstrahierende Traditionen der Bildhauerei. Auch der ursprünglich holzfarbene und in Absprache mit dem Künstler später grau gestrichene Sockel fügt sich in die inszenierte Bedeutsamkeit ein.
Trotz der Vorgaben dieser Inszenierung und der Hommage an berühmte Künstler setzt sich die Figur deutlich vom Erwarteten ab. Sie ist weder in der formalen noch in der materiellen Gestaltung traditionell. Georg Baselitz, der selbst über eine größere Sammlung afrikanischer Plastiken verfügt, hat aus dem dort geübten Umgang mit Proportion, Material und Oberfläche eigene Konsequenzen gezogen. Die Figur findet so eine Form außerhalb des üblichen eurozentrischen Kanons figurativer Plastik: sie greift mit der linken Hand über den Kopf und weist in dieser speziellen Körperhaltung ungewohnte Proportionen auf. Auch die Oberfläche der Ulmenholzplastik ist eigenwillig: sie ist komplett mit Stoffflicken überzogen und gibt der Form eine unerwartete Textur und Farbigkeit. Gerade an diesem zentralen und repräsentativen Ort vermeidet Baselitz dadurch das Pathos, das an einem solchen nationalen Kulturort häufig erwartet wird. J.S.

Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel / Claudia Büttner / Johannes Stahl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 300 Kunst-am-Bau-Werken des Bundes von 1950 bis 2013, BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2018, Februar 2018.

Weiterführende Literatur:
Langen-Wettengl, Ruth / Jockel, Stephan, 2017: Zugabe - Kunst in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main, Frankfurt
Lehmann, Klaus-Dieter / Kolasa, Ingo, 1997: Deutsche Bibliothek Frankfurt am Main. Ein Dialog zwischen Architekten und Bibliothekaren, S. 116-117
Staatliche Neubauleitung Deutsche Bibliothek (Hg.), 1996: Die Deutsche Bibliothek Neubau, Frankfurt am Main, S. 30-31


Freiplastik / Skulptur
Ulme mit Stoff überzogen
Höhe 240 cm, Sockel 140 cm
800.000 €
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb mit 14 Teilnehmern

Deutsche Nationalbibliothek
Kuppelsaal
während der Öffnungszeiten zugänglich

Künstler : Hans-Georg Kern

Baselitz, Georg (eigentlicher Name Hans-Georg Kern, * 1938 in Deutschbaselitz, lebt in Salzburg) ist ein deutsch-österreichischer Maler und Bildhauer. Baselitz studierte 1956 an der Hochschule für bildende Künste in Berlin-Weißensee (Ost-Berlin), 1957 an der Hochschule der bildenden Künste, und zog 1958 nach West-Berlin um. Seit 1961 unter dem Künstlernamen Georg Baselitz arbeitend,  malte 1969 sein erstes auf dem Kopf stehendes Bild, was in der Folge zu einer Art Markenzeichen für ihn wurde. Baselitz hatte 1977-83 eine Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe inne, von 1983-1988 und 1992-2003 an der Hochschule der Künste in Berlin. Explizit baubezogene Kunst existiert von ihm nicht. Für den Bund war er u.a. für den Deutschen Bundestag, das Bundeskanzleramt und die Deutsche Nationalbibliothek tätig.

Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main

Deutsche Nationalbibliothek

Architektur: Mete Arat, Hans-Dieter Kaiser, Gisela Kaiser
Bauzeit: 1992-1996

Deutsche Nationalbibliothek
Adickesallee 1
60322 Frankfurt am Main
Hessen

Den 1981 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb gewannen die Stuttgarter Architekten Mete Arat, Hans-Dieter Kaiser und Gisela Kaiser 1983 und erhielten auch den Planungsauftrag. Die Realisierung erfolgte 1992-96, eröffnet wurde der Bibliotheksbau 1997.