Erich Hauser: 13/75 (sechs Bodenreliefs) 1975
Erich Hauser (1930-2004) schuf seit den sechziger Jahren aus industriell gefertigten Stahlblechen Plastiken mit einfachen Grundformen und glatten Oberflächen. Viele überragen als freigestellte Standplastiken ihre Umgebung. Hinsichtlich seines Kunst-am-Bau-Entwurfes für das damalige Kanzleramt in Bonn legte Hauser sein Hauptaugenmerk auf den „Kontext politischer Repräsentation“ und bemerkte dazu: „Monumente sind mit moderner Kunst ebenso wenig vereinbar, wie mit einem demokratischen Staatswesen.“
Tatsächlich reflektiert auch die Architektur der Planungsgruppe Stieldorf vergleichbare Vorstellungen von gebauter Bescheidenheit. Der aus zwei Teilen bestehende dreigeschossige Bau weist mit den Fenster- und Brüstungsbändern eine ausgeprägte horizontale Tendenz und keinerlei Ambition auf, im städtischen Kontext aufzufallen. Machtgebärden und selbst ein repräsentatives Erscheinungsbild sind ihm fremd.
Zweifellos aber war das Kanzleramtsgebäude für die Selbstdarstellung der noch jungen Bundesrepublik eine herausragende und herausfordernde Bauunternehmung. Aus diesem Grund rief die Bundesbaudirektion für die Kunst am Bau – erst zum zweiten Mal überhaupt – auch einen offenen Wettbewerb aus, um so Verfahrenstransparenz zu gewährleisten und Unvoreingenommenheit hinsichtlich der künstlerischen Positionen zu demonstrieren.
Als einer der daraufhin beauftragten Künstler wählte Erich Hauser (1930–2004) als Standort den Eingangsbereich des sogenannten Abteilungsbaus, der im Erdgeschoss eine durchgehend offene Zone bildet. Hausers Edelstahl-Solitäre sind andernorts bis zu fünfundzwanzig Meter hoch. Die dezentrale Agglomeration von sechs runden Plastiken am Bundeskanzleramt dagegen weist eine klare horizontale Ausrichtung mit einer vergleichsweise geringen Höhe von rund 150 Zentimetern auf.
Hausers Ensemble entwickelt über allgemeine Referenzen hinaus gezielte Bezüge zum architektonischen Kontext. In der sechsfachen Variation und losen Gruppierung strukturieren die Plastiken die gesamte Eingangsseite und bilden mit ihrer jeweiligen Zentrierung für die Gebäudenutzer – gerade in diesem Bereich des ständigen Kommens und Gehens – Momente der Ruhe. Gleichzeitig bauen der Silberglanz des Edelstahls und die Komplexität der gedrungenen Formen gegenüber den horizontal fließenden Formen der Architektur und dem Farbton der eloxierten Aluminiumfassadenelemente Gegensätze auf, die den Gesamteindruck des Eingangs auflockern und bereichern.
Hauser konfrontiert in den Plastiken den Stahl als industriell vorgefertigtes Material mit einer Formgebung, die an aufplatzende Knospen denken lässt, wobei die aufgewallten Granitsteineinfassungen diesen Eindruck verstärken. Darin begegnen sich ein für die Siebzigerjahre typischer Fortschrittsoptimismus und eine zeitgemäß aufgefasste Beseeltheit. In diesem Spagat von Konstruktion und Natürlichkeit bilden Hausers Plastiken auch ein Bindeglied und ein transitorisches Moment zum großen Grünbereich zwischen dem Abteilungsbau mit dem Haupteingang, dem separaten Kanzler- und Kabinettbau und der Einfahrt. MS
Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel / Claudia Büttner / Johannes Stahl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 150 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes seit 1950, BBSR-Online-Publikation Nr. xx/2019.
Weiterführende Literatur:
Zabel-Zottmann, Gabriele, 2012: Skulpturen und Objekte im öffentlichen Raum der Bundeshauptstadt Bonn, Aufgestellt von 1970 bis 1991, Mit Betrachtung einer Auswahl vorher sowie anschließend aufgestellter Werke. Phil. Diss., Bonn, Teil 1 Text: S. 54–55; Teil 2 Katalog: S. 34–35, Kat. Nr. 36.
Hirsch, Thomas, 2003: über Erich Hauser. Organisation im öffentlichen Raum. In: Romain, Lothar/Bluemier, Detlef (Hrg.): Künstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst. Ausgabe 64, Heft 26, S. 3, 7, Abb. S. 5, München.
Relief / Plastik
Edelstahl, Bodenbelag aus rotem Granit
Ø jeweils 2 x 200 cm; 2 x 400 cm; 2 x 600 cm
184.065 €
offener Wettbewerb mit 177 Teilnehmern
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
überdachter Vorfahrtsbereich
nicht öffentlich zugänglich/einsehbar
Künstler : Erich Hauser
Erich Hauser (1930 Rietheim - 2004 Rottweil) war ein deutscher Bildhauer. Nach einer Lehre als Stahlgraveur und einem Studium an der Freien Kunstschule in Stuttgart schuf Hauser zunächst Plastiken mit einer am Informell orientierten Behandlung der Oberfläche. Mit Beginn der sechziger Jahre wandte er sich konkreten Stahlplastiken aus geometrischen Grundformen und mit glatten Oberflächen zu. Erich Hauser nahm mehrfach an der documenta in Kassel teil und erlangte 1969 mit Gewinn des Großen Preises der Biennale von São Paulo/Brasilien internationale Anerkennung. Hauser war Gastdozent an den Kunsthochschulen Hamburg und Berlin. 1970 wurde er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Hauser schuf zahlreiche Arbeiten für den öffentlichen Raum und Kunst am Bau, darunter eine Wandgestaltung für die Staatsbibliothek in Berlin (1977), die Plastik „Stahlengel" für die Skulpturenmeile in Hannover (1987) sowie Arbeiten für das ehem. Bundeskanzleramt Bonn, die Universität Bayreuth und das Neue Rathaus Rottweil.
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Architektur: Planungsgruppe Stieldorf (M. Adams, R. Glatzer, G. Hornschuh, G. Pollich, P. Türler)
Bauzeit: 1973-1976
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Dahlmannstraße 4
53113 Bonn
Nordrhein-Westfalen
Im Dezember 1969 beschloss das Bundeskabinett, ein neues Kanzleramt zu bauen. 1970 wurde der Wettbewerb dafür ausgelobt, den die Planungsgruppe Stieldorf (Manfred Adams, Günter Hornschuh, Robert Glatzer, Georg Pollich, Peter Türler) gewann; Baubeginn war 1973, die Einweihung am 1. Juli 1976. 2001-2005 wurde das Gebäude für den Einzug des BMZs denkmalgerecht generalsaniert.