Matt Mullican: o. T. (Bodenzeichnung) 2001
Als 1982 der Internationale Seegerichtshof ISGH (International Tribunal for the Law of the Sea ITLOS) geschaffen und sein Sitz in Hamburg festgelegt wurde, gelangte erstmals eine wichtige Rechtseinrichtung aus dem weiteren Bereich der Vereinten Nationen nach Deutschland. Im November 1998 hatte der damalige Leiter des Hamburger Kunstvereins, Stephan Schmidt-Wulffen, als Moderator der Kunst-am-Bau-Gestaltung für den Seegerichtshof Kunststandorte ausgesucht und diesen Orten bestimmte Künstler und Kunstwerke zugedacht. Für die Eingangshalle im Erdgeschoss entschied man sich für eine freie Bodenzeichnung mit Motiven aus dem Tätigkeitsbereich des Seegerichtshofs des amerikanischen Künstlers Matt Mullican.
Bei Mullicans titelloser "Bodenzeichnung" handelt es sich um eine in einem speziellen Gussverfahren in Steinbodenfräsung realisierte Einlegearbeit mit Vierecken und Kreisen, die auf die fünfstufige "Kosmologie" von Mullicans vielschichtig ausgreifendem Oeuvre verweisen. Mit einfachen Symbolen unterscheidet Mullican die Sphären der Materie ("physical elements"), der Gegenstände ("world framed"), der kreativen Kräfte und Künste ("world unframed"), der Zeichen und Begriffe ("language") und der geistigen Kräfte ("subjective meaning"), die er der Materie antipodisch entgegensetzt.
Die Hamburger Arbeit knüpft an diesen Kosmos an. Eine die Halle durchlaufende Linie verbindet zwei "Charts" genannte Bildfelder nach einer Unterbrechung mit einem Globus im südlichen Teil der Halle. Die Charts im Foyer zeigen in einem Viereck mit einschwingenden Seiten unter anderem "Five Worlds": Einen gerahmten Kreis, der die "world framed" bezeichnet, und von den zwei ungerahmten Kreisen der "world unframed" und von zwei "Signs", die für Schrift stehen, flankiert wird. Den Abschluss der Charts bilden das Zeichen für Subjekt sowie das Symbol für Elemente. Daneben befinden sich noch zwei geographische Globen, die eine Verortung der am ISGH beteiligten Nationen erlauben.
Matt Mullicans "icons" bilden eine abstrakte Grammatik, die wie Piktogramme Kommunikationsprozesse zeichenhaft abkürzen. Gleichzeitig sind sie Ornament, das sich wie die von materialinhärenten Farben getragene Innenarchitektur des Seegerichtshofs dezent ins Gesamtgefüge einfügt. MS
Weiterführende Literatur:
Kunst am Bau. Projekte des Bundes 2000-2006, hrsg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Berlin 2007.
Bodenarbeit
Gießharz-Metalllegierung im Boden
153.410 €
Direktvergabe
Internationaler Seegerichtshof (ISGH)
Eingangshalle und südlicher Innenhof
nicht öffentlich zugänglich/einsehbar
Künstler : Matt Mullican
Matt Mullicans Werk prägt eine immense Vielfalt an Bildern, Gattungen, Medien, Techniken und Materialien. All seine Objekte und Zeichnungen, Fotos, Piktogramme, Frottagen, Fahnen, Videos, Computer- und computergenerierte Arbeiten, Installationen, Performances, Plakate, Leuchtkästen, Pinnwände und Glasmalereien zeugen von einer hohen thematischen Kohärenz. Eine Matt Mullican-Ausstellung, die 2000-2001 durch Europa wanderte, hatte den bezeichnenden Titel "More Details form an Imaginary Universe" und deutete an, dass Mullican eigentlich nur noch Aspekte zu einem bestehenden "Kosmos" nachlieferte.
Internationaler Seegerichtshof (ISGH)
Architektur: Alexander Freiherr von Branca und Emanuela Freiin von Branca, München
Bauzeit: 1997-2000
Internationaler Seegerichtshof
Am Internationalen Seegerichtshof 1
22609 Hamburg
1981 nahm die Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen das Angebot der Bundesrepublik Deutschland an, den Internationalen Seegerichtshof in Hamburg zu errichten. 1989 wurde dafür ein internationaler Architektenwettbewerb ausgelobt, den die Münchener Architekten Alexander Freiherr und Emanuela Freiin von Branca gewannen. 1997-2000 wurde der Neubau errichtet und im Jahr 2000 an den ISGH übergeben.