Josef Partykiewicz: Politikerzoo 1977

  • Josef Partykiewicz: Politikerzoo, 1977 / © Josef Partykiewicz; Fotonachweis: Archiv BBR

    Josef Partykiewicz: Politikerzoo, 1977 / © Josef Partykiewicz; Fotonachweis: Archiv BBR

Der Presseclub in Bonn diente von 1952 bis 1989 als Begegnungsstätte von Journalisten mit Bundespolitikern, Diplomaten und Wirtschaftsvertretern. Zum 25jährigen Jubiläum des Presseclubs Bonn wurde 1975-77 eine bestehende, denkmalgeschützte Villa in der Heinrich-Brühning-Straße 20 des Bonner Parlaments- und Regierungsviertels erweitert. Der Presseclub in Bonn-Ippendorf wurde von dem Architekten Eberhard Schultz entworfen, der die dreigeschossige Villa von Julius Rolffs mit einem einseitigen Anbau versah. Die gerundete Gebäudeecke dominiert den Erweiterungsbau und den Grundriss und nimmt Elemente aus dem Altbau auf. Das Haus mit einer Nutzfläche von 1300 Quadratmeter wurde im Stil der siebziger Jahre zeitgemäß möbliert. Direktaufträge für die Kunst am Bau wurden paritätisch an Künstler und Künstlerinnen vergeben. Sowohl bildende als auch angewandte Kunst wurde in Auftrag gegeben. Josef Partykiewicz, Hella Santarossa und Sigrid Wylach kreierten Karikaturen, Glasmalerei und einen Wandteppich. Ernst Günter Hansing schuf eine Skulptur für den Außenbereich. Eine Sanierung und Umnutzung folgte dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin. Seit 2010 wird der ehemalige Presseclub als Betriebsgastronomie für die Mitarbeiter der Post genutzt.
Hinter der geschwungenen Fassade des Anbaus aus den siebziger Jahren befinden sich auf zwei Geschossen kreisrunde Räume. In der runden Medienecke auf der ersten Etage in Nähe des Eingangs kontrastierten dunkle Möbel und getäfelte Wände mit weißen Lampen. Dort hingen Karikaturen von Josef Partykiewicz in enger Reihenfolge, die prominente Politiker karikierten. Ungefähr 20 Wandbilder mit Tierdarstellungen trugen Häupter wichtiger Vertreter der Bundesregierung. Willy Brandt erschien als Löwe, Hans-Dietrich Genscher als Pandabär, Helmut Kohl als Waldohreule oder Martin Bangemann als Nashorn. Obwohl manche Politiker sich unvorteilhaft portraitiert fühlten, z. B. Bundestagsvizepräsidentin Annemarie Renger, forderte keiner die Entfernung der Bilder. In der intimen Atmosphäre der Medienecke fungierten die Zeichnungen sicher auch als Eisbrecher zu Beginn einer Unterhaltung, wenn die Vertreter aus Wirtschaft und Presse mit Politikern sich zum gegenseitigen Austausch trafen. So trug der Politikerzoo entscheidend zur lockeren Atmosphäre des Hauses bei. Der Verbleib der Karikaturen von Josef Partykiewicz ist 2013 unbekannt.
Josef Partykiewicz publizierte in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts regelmäßig seine beliebten Karikaturen zum Bonner Polit-Zirkus in der Kölnischen Rundschau und dem Rheinischen Merkur. Die Entscheidung, den bekannten Karikaturisten um einen künstlerischen Beitrag zum Presseclub zu bitten, war mutig, weil sie einen außerordentlichen Sinn für Humor beweist. Der Auftrag ist auch ein Indikator dafür, dass die für Partykiewicz typischen, aus Brehms Tierleben und von Prof. Grzimek entnommenen Charaktere aus der Welt der Politik bei der zuständigen Bauverwaltung und in der Öffentlichkeit einen unangefochtenen Stellenwert einnahmen. Das Werk von Josef Partykiewicz stand über kleinkariertem Spott und gemeinen Repressalien. Einen vergleichbaren künstlerischen Ruf genoss in der Bundesrepublik nur Loriot, der ebenfalls eine Vorliebe für Tierdarstellungen hatte. CL

Weiterführende Literatur Online:
Claudia Büttner / Christina Lanzl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes von 1950 bis 1979. BBSR-Online-Publikation 12/2014, Bonn, Dezember 2014.

Weiterführende Literatur:
Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, (Hg.); Leuschner, Wolfgang (Bearb.), 1980: Bauten des Bundes 1965-1980. Karlsruhe, S. 61-62. Gala, Johannes, 1978: Der neue Presseclub Bonn.
Die Bauverwaltung, 27. Jg. (1), S. 16-19.
Helbert, Klaus (Hg.), 1992: Partys Polithäppchen - Texte und Zeichnungen von J. Party(kiewicz). Wiesbaden. Der Spiegel, 2010: Personalien: Josef Partykiewicz. (10), S. 268.


Graphik / Papierarbeit
Karikaturen
Direktvergabe

ehem. Presseclub der Deutschen Post AG
Medienecke
nicht öffentlich zugänglich/einsehbar
Kunstwerk ist verschollen

Künstler : Josef Partykiewicz

Josef Partykiewicz (1922 Lemberg – 2003 Rösrath) studierte Jura, Grafik und Malerei in Lemberg und Wien. 1940, während des 2. Weltkriegs, zog er nach Deutschland um. Nach 1945 arbeitete er als Karikaturist u.a. der Wochenzeitschrift "Rheinischer Merkur" und der Tageszeitung "Kölnische Rundschau". Die Gothaer Karikade ehrte ihn 2001 für sein Lebenswerk.

ehem. Presseclub der Deutschen Post AG

Architektur: Eberhard Schultz
Bauzeit: 1975-1977

ehem. Presseclub Bonn
Heinrich-Brühning-Straße 20
53113 Bonn
Nordrhein-Westfalen

Die 1909 errichtete Villa wurde 1975-77 von dem Bonner Architekten Eberhard Schultz für den Presseclub Bonn hergerichtet und erweitert. Sie diente bis 1989 als Begegnungsstätte von Vertretern aus Presse und Medien mit Politik und Wirtschaft. Bedingt durch die Wiedervereinigung 1989 zog die Regierung nach Berlin um, womit die Liegenschaft obsolet wurde. Im Jahr 2009 renovierte die Aachener Architektenfirma Manstein das Gebäude für die Deutsche Post AG, die den Bau bis 2019 als Betriebscasino nutzte.

Weitere Kunstwerke: ehem. Presseclub Bonn , Bonn