Horst Antes: Kopf für Dakar 1985

  • Horst Antes: Kopf für Dakar, 1985 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: Archiv BBR (1983)

    Horst Antes: Kopf für Dakar, 1985 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: Archiv BBR (1983)

Nach der Unabhängigkeitserklärung Senegals im Jahre 1960 wurde das 1955 eröffnete Konsulat in eine Botschaft umgewandelt und Residenz und Kanzlei räumlich von einander getrennt errichtet. Zur Auswahl der Kunst am Bau für die 1978 bis 1982 von Seidel, Hausmann & Partner Architekten erbauten Kanzlei fand 1979 ein Gutachterverfahren statt, zu dem Horst Antes, Erich Hauser und Michael Schoenholtz Vorschläge einreichten.
Beauftragt wurde nach einigen Diskussionen der Maler, Grafiker und Bildhauer Horst Antes (Jahrgang 1936). Der ehemalige Schüler von HAP Grieshaber und dreimalige »documenta«-Teilnehmer Antes hatte anstelle eines geforderten Unikats mehrere, bereits anderweitig realisierte Entwürfe (»Kopf mit stehender Figur« und »Kopf für Martin Buber«) vorgelegt.
Bei dem schließlich in Anlehnung an die Wettbewerbseinreichungen realisierten »Kopf für Dakar« handelt es sich um eine Cortenstahl-Plastik in Form eines etwa 170 Zentimeter hohen und 180 Zentimeter breiten abstrahierten Kopfes, der am Hauptzugang des Kanzleigrundstückes außerhalb der Einfriedung im Vorfahrtsbereich zur Aufstellung gelangte. Der Kopf ist trotz seiner Tiefe von immerhin 45 cm komplett flächig und wie eine Shaped canvas ('geformte Leinwand') aufgefasst. Er dient als Bildträger der Binnenreliefs und Gravuren, die die Silhouette des Kopfes narrativ erweitern.
Im Unterschied zu den eingereichten Vorschlägen ist die schließlich ausgeführte Arbeit reliefiert. Auf der Straßenseite ist eine demütig kniende Gestalt zu erkennen, die gegenüber der Kopffläche um zwei Millimeter versenkt ist. Auf der anderen, dem Botschaftsgelände zugewandten Seite finden sich eine um sieben Millimeter versenkte Leiter mit einer zwei Millimeter tiefen Figur sowie eingravierte Blumen.
Der »Kopf für Dakar« ist eine der von Antes seit Mitte der Sechziger Jahre immer wieder abgewandelten und unterdessen wohl vertrauten Kopfmetaphern, die oft um Themen existentieller Befindlichkeiten wie etwa des Gefangenseins kreisen. Die Leiter auf dem »Kopf für Dakar« ist in anderen Bildwerken von Antes als "Himmelsleiter" ausgewiesen und evoziert von daher in Verbindung mit dem Knienden auf der Gegenseite Assoziationen der Demut.
In ihrer Entstehungszeit waren die "Kopffüßler" von Antes viel beachtete Pionierstücke einer neuen, gezielt gegen die vorherrschende Abstraktion gerichteten Figuration. Diese war zum Zeitpunkt des Kanzleineubaus noch immer so neu, dass sich das Auswärtige Amt Gedanken machte hinsichtlich der Angemessenheit der Darstellung für ein Botschaftsgebäude. Der sinnlich reizvolle Rost hatte sich in der Kunstszene als ein eigenwertiges, Öl- oder Acrylfarben und Lackierungen ebenbürtiges ästhetisches Phänomen etabliert. Dennoch hinterfragte das Auswärtige Amt die "Assoziation von braunem Cor-Ten-Stahl mit den etwas wulstigen Lippen" auch mit Blick auf die deutsche Geschichte und die besondere Kunst-am-Bau-Aufgabe. Dies umso mehr, als der von der Jury angeregte Aufstellungsort außerhalb der Grundstückseinfriedung natürlich einer besonderen Observanz ausgesetzt war.
Diese politischen Zweifel allerdings zerschlugen sich, als der Botschafter aus Dakar berichtete, dass die Arbeit in Senegal keine Fehldeutung zulasse; denn der Präsident Senghor selbst habe die Arbeit positiv beurteilt und freue sich, dass in die moderne deutsche Kunst augenscheinlich afrikanische Stilelemente Eingang gefunden hätten. Diese subjektive Einschätzung des Präsidenten kollidierte allerdings ironischerweise mit dem auch bei anderen Auslobungen ausgesprochenen Wunsch der Verantwortlichen, bei der Kunst am Bau von Auslandsbauten Anklänge an die Kunst der betreffenden Gastländer zu vermeiden.
Horst Antes' Arbeit wäre auch an anderen Orten denkbar. Gleichwohl verleiht sie dem Gebäude am Eingang signetartig Identität und dient in ihrer künstlerischen Frische der Botschaftskanzlei in Dakar als unverwechselbares Wahrzeichen. MS

Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel (Autor), BMVBS (Hrsg.): Kunst am Bau bei Deutschen Botschaften und anderen Auslandsbauten. BMVBS-Online-Publikation 11/2011.


Freiplastik / Skulptur
Cortenstahl-Skulptur
170 x 180 x 45 cm
Gutachterverfahren

Deutsche Botschaft Dakar - Kanzlei
Hauptzugang des Kanzleigrundstückes außerhalb der Einfriedung im Vorfahrtsbereich
öffentlich zugänglich/einsehbar

Künstler : Horst Antes

Horst Antes, geboren 1936 in Heppenheim, ist ein deutscher Maler, Grafiker und Bildhauer. Er studierte bei HAP Grieshaber an der Karlsruher Kunstakademie, an der er 1967 selbst eine Professur übernahm. Antes ist Mitbegründer der „Neuen Figuration“. Die sogenannten „Kopffüßler“, im Profil ausgeführte Figuren mit monumentalem Kopf sowie Beinen und Armen ohne erkennbaren Rumpf, bilden eine wesentliche Werkgruppe. Antes erhielt zahlreiche angesehene Preise und Stipendien. Er war Teilnehmer der documenta in Kassel (1964, 1968, 1977) und der Biennalen in Venedig und São Paulo. 2013 wurde seine Malerei im Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt.
Er realisierte unter anderem Metallplastiken für den „Garten der sieben Denkmäler der Lüste“ auf der Bundesgartenschau in Karlsruhe (1967) und für den „Platz der Köpfe“ auf dem ZDF-Sendezentrum in Mainz (1982/83) sowie das Skulpturenensemble „Der Ring – Die Fresser – Die Insel“ im öffentlichen Raum in Düsseldorf (1991). Kunst am Bau für den Bund schuf er für die Deutsche Botschaft in Dakar (1982) und für das Arbeitsamt in Nienburg-Verden (1990).

Deutsche Botschaft Dakar - Kanzlei

Architektur: Seidel, Hausmann & Partner, Darmstadt
Bauzeit: 1978-1985

Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
20, Avenue Pasteur, Angle Rue Jean Mermoz
Dakar
Senegal

1960 wurde Senegal unabhängig und infolgedessen das 1955 eröffnete Konsulat in eine Botschaft umgewandelt. Mit dem Neubau der Botschaft wurden die Architekten Seidel, Hausmann & Partner aus Darmstadt betraut. Der Baubeginn erfolgte im Herbst 1979, fertiggestellt war die Kanzlei im November 1985.