Baubezogene Kunst in der DDR
In der DDR spielte wie in der Bundesrepublik die bildkünstlerische Ausstattung bei öffentlichen Bauvorhaben eine wichtige Rolle, wenngleich auch unter anderen politischen Zielstellungen. Denn die Förderung der Kultur durch staatliche Aufträge an die Künstler und auch für baubezogenen Kunst - insbesondere in der Aufbau- und Etablierungsphase der DDR–, war ein elementarer Bestandteil der neuen sozialistischen Kulturpolitik, nicht zuletzt weil der Kunst politisch und gesellschaftlich ein Bildungsauftrag zukam.
Die erste relevante Verordnung, die für Neubauten und Wiederaufbaumaßnahmen eine prozentuale Widmung der Baukosten für die bildkünstlerische Ausstattung verspricht, datiert – wie in der Bundesrepublik - in das Jahr 1950. 1952 erging dazu dann für die gesamte DDR eine Durchführungsbestimmung, die einen Anteil von 1-2 % der Bausumme für die bildkünstlerische Ausgestaltung von Verwaltungs-, Kultur- und Sozialbauten festschreibt. So entstand zunächst für Bauten der Verwaltung und den Hochschulbau und später auch bei komplexen Stadtraumplanungen und im Wohnungsbau eine Fülle immobiler, mit den Bauten fest verbundene Kunstwerke (Wandbilder, Sgraffitos, Reliefs, Glasfenster, Mosaiken und Bauplastiken), aber auch mobiler Kunstwerke (Gemälde, Grafiken und Plastiken). Es gab eine verbindliche Honorarordnung und die programmatische Ausrichtung in Aussage und Stil („volksnahe und realistische Kunst“) waren vorgegeben. Im Laufe der 1960er Jahre waren bei den Bauprojekten zunehmend technisch-ökonomische Zielstellungen prägend, die mit den künstlerisch-ideologischen Konzeptionen in Einklang gebracht werden sollten. Hier begann sich die wirtschaftliche Situation der DDR auszuwirken, sodass 1971 die gravierende Kürzung der prozentualen Anteile für bildkünstlerische Ausstattung auf 0,5% der Bausumme bei gesellschaftlichen Vorhaben sowie eine Deckelung auf maximal 500 TM erfolgte.
Die finanziellen und organisatorischen Mittel für Auftragsvergabe und Realisierung der baubezogenen Kunst lagen in den Anfangs- und Aufbaujahren zentralisiert bei dem 1949 gegründeten Kulturfonds, der dem Ministerium für Kultur nachgeordnet bzw. seit 1953 dort eingegliedert war, und der bei ihm angesiedelten staatlichen Auftragskommission. Im Rahmen der Dezentralisierung richteten einige Bezirke eigene Kommissionen ein, u.a. die seit 1959 als „Beiräte für Bildende Kunst“ und ab Ende der 1960er Jahre als „Büros für architekturbezogene Kunst“ firmierten und in Abstimmung mit den jeweiligen „Investträgern“ die Auftragsvergabe für die Ausstattung von Investitionsbauten in den Bezirken übernahmen. Das Ministerium für Kultur behielt sich aber die letzte Entscheidung vor, um eine „einheitliche Entwicklung auf dem Gebiet der bildenden, besonders der architekturgebundenen Kunst im Sinne des sozialistischen Realismus‘“ zu fördern. Größere Vorhaben wurden über Wettbewerbe realisiert. Initiatoren und sogenannte „Investträger“ waren neben den staatlichen Behörden in der DDR eine Vielzahl weiterer Akteure: die Parteien- und Massenorganisationen, die Berufs- und Freundschaftsverbände, der Kulturbund, die Nationale Volksarmee sowie volkseigene Betriebe und Kombinate. Trotz entsprechender Anordnungen über die Erfassung und Sicherung staatlichen Eigentums gab es keine Anordnung zur Inventarisierung und Dokumentation des staatlich beauftragten Kunstbesitzes. Somit gibt es keine verlässliche Bestandsaufnahme, die die über 40 Jahre hinweg entstandene baugebundene Kunst in der DDR dokumentiert. Viele der baugebundenen Kunstwerke oder komplexen Stadtraumplanungen in der DDR wurden zudem durch Künstlerkollektive geschaffen, was die Zuordnung zu einzelnen Künstleroeuvres erschwert, nicht zuletzt auch im Sinne des heutigen Urheberrechtsverständnisses.
Der mit dem Mauerfall auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einsetzende rasante Veränderungsdruck durch Privatisierungen vormals staatlicher Liegenschaften und volkseigener Betriebe und Kombinate und der damit einsetzende Baumboom hat keine überlegten Aktionen und Maßnahmen zur Sicherung dieses öffentlichen Besitzes zugelassen, zumal im Moment des größten Handlungsbedarfs die neuen Zuständigkeiten nicht geklärt waren. Einzelne wichtige Publikationen und Initiativen auf lokaler und regionaler Ebene leisten seit Jahren wichtige objekt- oder komplexbezogene Aufarbeitung; sie können aber nur punktuell Einblick in die komplizierte Entwicklung politischer und praktischer Zuständigkeiten in Bezug auf die baugebundene Kunst in der DDR geben. Eine wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme und Bewertung dieser Kunst steht noch aus. Mehrere Hochschulen und Wissenschaftsinstitutionen haben sich inzwischen der Kunst der DDR angenommen und sie zum Gegenstand gemeinsamer Forschungsprojekte gemacht, die auch von Seite des Bundes gefördert werden. Es steht zu hoffen, dass dabei auch die baubezogene Kunst der DDR angemessene Berücksichtigung findet. SW