Otto Herbert Hajek: Zeichen für Montevideo 1974
Für die 1971-1974 errichtete Botschaftskanzlei in Montevideo, die an ihrer Nordseite an eine Sporthalle anschließt und sich auf der Südseite mit starker architektonischer Gliederung zur Uferstraße des Rio de la Plata hin entwickelt, kamm es zu einer Direktvergabe des Kunst-am-Bau-Auftrags. Und zwar an Otto Herbert Hajek (1927-2005), einen der führenden und engagiertesten Künstler seiner Zeit, der für das begrenzte Grundstück das komplex ausgreifende Kunstkonzept »Zeichen für Montevideo« entwickelte. Das schon bei der Einweihung des Hauses positiv aufgenommene Werk konfrontiert das von der Bundesbaudirektion entworfene Gebäude mit einer integralen, die Architektur vielfach freiplastisch, bauplastisch oder graphisch tangierenden Gestaltung aus bemalten und unbemalten Betonelementen.
Die freistehende Betonstele vor dem eingeschossigen Saal an der Ostseite hat Signalfunktion und setzt sich in ihrer Farbigkeit und mit einer markanten Zickzack-Umrisslinie gegen die Grauheit und Rechtwinkligkeit der Architektur ab. Der getönte gepflasterte Vorfahrtsbereich wird optisch von der konstruktiv geschichteten bunten Brunnenanlage beherrscht. Den Eingang und das Foyer strukturieren eine bauplastische beziehungsweise eine graphische Wandgestaltung, den horizontalen Wandstreifen des Saals ein Relief aus naturbelassenem Sichtbeton. Das künstlerische Eigenleben der additiv gefügten Formen unterstreicht die (nachträglich veränderte) kräftige Farbgebung in den Grundtönen Rot, Gelb und Blau, auf die im Vorfahrtsbereich nur aus praktischen Gründen verzichtet wurde.
Ausgehend von der Stele erklärte Hajek seinen Ansatz folgendermaßen: "So verstehe ich das Zeichen für die Menschen als das erklärte Symbol für alle Einbringungen, welches von der Ferne zu sehen ist und die Menschen anzieht weiteres zu betrachten, dann der Brunnen – Vorfahrt – wird die Menschen in der Betrachtung beschäftigen. Der Fries soll von allen Seiten auf das besondere des Kommunikationsraumes der Botschaft aufmerksam machen. Die Reliefs am Eingang und Foyer werden zu Bildern die den Kommenden begleiten und auch führen. Die farbige Behandlung – Blau – Rot – Gelb – durch alle Strukturen – Vorfahrt miteingeschlossen bilden einen Farbweg."
Das Verhältnis der Kunst zur Architektur kann auf der einen Seite als symbiotisch beschrieben werden. Auf der anderen Seite ist es durch die Farbgebung und die ornamentale Verwendung ästhetisch eigenwertiger Diagonalen, Trapeze und Rauten kontrapunktisch und erzeugt Reibung.
Hajeks politisches und gesellschaftspolitisches Engagement schlug sich darin nieder, dass er gemeinsam mit anderen Künstlern im Umfeld von Willy Brandt für den Ost-West-Dialog eintrat. Vor allem aber in seinen als "demokratische Mahnmale für Toleranz" und für eine menschenfreundlichere Umweltgestaltung zu lesenden Arbeiten, mit denen er weltweit – so auch in den Botschaften Montevideo und Lomé – Signale aussandte.
Denn für Hajek bedeuteten der Verzicht auf Gegenständlichkeit und die Rückführung der Kunst auf geometrische Grundformen, auf Grundfarben und auf Beton nicht Verzicht auf "Inhalt" und "Engagement". Für ihn war auch die gegenstandslose Kunst die Triebfeder allen Handelns und die Grundlage des individuellen und des gesellschaftlichen Seins. So bedeuteten seine integralen Konzepte immer auch einen unmittelbaren Eingriff in die Lebensverhältnisse der Menschen. Denn die intensive Farb- und Formgebung sollte nicht das Vorhandene "verhübschen" und bestätigen. Als Zeichen eines selbstbestimmt aufbegehrenden Individualismus, der sich über die Grundwerte der Demokratie definierte, war Hajeks Gestaltungsansatz vielmehr Protest gegen den dominanten, im städtebaulichen Zusammenhang verkehrsorientierten Funktionalismus und die von Alexander Mitscherlich in dieser Zeit beschriebene »Unwirtlichkeit unserer Städte« (1965). MS/UC
Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel (Autor), BMVBS (Hrsg.): Kunst am Bau bei Deutschen Botschaften und anderen Auslandsbauten. BMVBS-Online-Publikation 11/2011.
mehrteilige Außen-Innen-Arbeit
Beton, farbig (blau-rot-gelb-grau) gefasst
66.212 €
Deutsche Botschaft Montevideo
Stele, Vorfahrt, Eingangsbereich und Foyer sowie Brunnen und Strukturrelief am Festsaal
öffentlich zugänglich/einsehbar
Künstler : Otto Herbert Hajek
Otto Herbert Hajek (1927-2005) war ein deutscher Bildhauer, Maler und Grafiker. Er studierte 1947-1954 Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und nahm an Ausstellungen im In- und Ausland, u.a. an der documenta II und III in Kassel teil. 1980-1992 hatte er eine Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe inne. Hajek entwickelt ab den 1960er Jahren in den Grundfarben gehaltene Objekte und Skulpturen in geometrischen Grundformen aus Beton und Stahl, die er auf Plätzen und Fassaden anbringt und zu Stadtraumgestaltungen erweitert. Er realisierte zahlreiche Kunst-am-Bau-Werke und Arbeiten im öffentlichen Raum, u. a. für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Bonn (1978), die Deutsche Botschaft in Montevideo/Uruguay (1974), die Bundesbaudirektion in Berlin (1980) und die deutsche Botschaft in Lomé/Togo (1981).
Deutsche Botschaft Montevideo Montevideo
Architektur: Bundesbaudirektion (Seidlitz)
Bauzeit: 1971-74
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
La Cumparsita 1435
11200 Montevideo
Argentinien
Am 29. Dezember 1951 wurde in Montevideo eine Deutsche Gesandtschaft eröffnet, die am 17. Juli 1956 in eine Botschaft umgewandelt wurde. Das heutige Kanzleigebäude der Botschaft wurde 1971-74 von der Bundesbaudirektion nach Entwurf von Heinz Seidlitz errichtet. In dem Gebäude ist seit 1971 auch das Goethe-Institut untergebracht.