Jan Hendrik Theissen: Pinnwand 2000
Es ist ein geschichtsträchtiges Haus, in das 1999/2000 das Bundesministerium für Bildung und Forschung im ehemaligen Ostteil Berlins einzog: Das denkmalgeschützte Gebäude war zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Kaserne errichtet worden, im Zweiten Weltkrieg diente es als Polizeischule. Der Architekt Hans Scharoun baute das zerstörte Gebäude für die Akademie der Wissenschaften bis 1950 wieder auf und verwandelte das Dachgeschoss in ein Atelier. Während der Nutzung durch die Deutsche Bauakademie plante der Architekt Hermann Henselmann hier mit Kollegen die Umgestaltung des Ostberliner Stadtzentrums. Im Zuge eines Abkommens von 1972 diente das Gebäude – ergänzt um einen Pavillon – von 1974 bis zum Tag der Wiedervereinigung 1990 als „Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Deutschen Demokratischen Republik“. Im Rahmen der baulichen Maßnahmen für die Nutzung durch das Bildungsministerium wurde in konzeptueller Anlehnung an die Aufgaben der Behörde ein zweistufiger Kunst-am-Bau-Wettbewerb für 22 Kunsthochschulen ausgelobt. 91 Bewerbungen von 19 teilnehmenden Hochschulen gingen ein, von denen 25 für die zweite Stufe des Verfahrens eingeladen wurden. Das Entscheidungsgremium aus Vertretern des Kunstbeirats, der Bauverwaltung, des Nutzers sowie Künstlern empfahl fünf Arbeiten zu Realisierung, u. a. die Arbeit „Pinnwand“ von Jan Theissen (*1972) für den Gartenpavillon. Der Titel verweist ganz unmittelbar auf die beeindruckende Technik des Bildes, das sich aus rund 40.000 Reißzwecken aus spiegelndem Metall zusammensetzt. Wandfüllend zeigt es vier unbekannte Gesichter von Teilnehmern einer der Montagsdemonstrationen in Leipzig, die im Rahmen der friedlichen Revolution in der DDR wesentlich zur Auflösung des Staates beitrugen. Die einzelnen Bildpunkte funktionieren wie die Rasterung eines Zeitungsbildes: aus einer gewissen Entfernung ist das Motiv zu erkennen, doch in Nahsicht bleiben nur die einzelnen Reißzwecken unterschiedlicher Größe übrig, die wiederum den Betrachter selbst zum Teil der Masse machen, indem er sich hundertfach in ihrer Oberfläche spiegelt. Die Arbeit ist ein hervorragendes Beispiel für die inhaltliche Verschränkung des Kunstwerks mit der Geschichte und ehemaligen Nutzung des Gebäudes. SvM
Weiterführende Literatur Online:
Anne Schmedding / Constanze von Marlin (Autoren), BMVBS (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes seit 1950. BMVBS-Online-Publikation 25/2012.
Weiterführende Literatur:
Kunst am Bau. Die Projekte des Bundes in Berlin, hrsg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (BMVBW), Berlin 2002, S. 252 ff.
Wandarbeit
Nagelbild, 40.000 Reißzwecken
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb
Gartenhaus
Gartenpavillon
nicht öffentlich zugänglich/einsehbar
Künstler : Jan Hendrik Theissen
Jan Hendrik Theissen (*1972 in Siegburg) studierte Produktdesign an der Hochschule für Bildende Künste Saar in Saarbrücken und an der Akademie Industriele Vormgeving Eindhoven in den Niederlanden sowie Architektur am Pratt Institute in New York und an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. 2004 gründete er mit Sonja Nagel das Büro „Kommunikationsarchitektur“ in Stuttgart. Seit 2010 arbeiten Sonja Nagel und Jan Theissen unter dem Namen AMUNT in einer Architekturkooperation mit Björn Martenson. Ihre Projekte wurden 2010 mit dem Weißenhof-Architektur-Förderpreis für junge Architektinnen und Architekten, sowie 2012 mit dem Hugo-Häring-Preis und 2013 mit dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichnet. 2017 erhielt er das Stipendium der Kulturstiftung Baden-Württemberg für einen Studienaufenthalt in der Cité des Artes in Paris
Gartenhaus Berlin
Architektur: Bundesbaudirektion
Bauzeit: 1973-74
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Hannoversche Str. 28-30
10115 Berlin
1973-74 wurde das Scharoun-Gebäude von der Bundesbaudirektion für die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR umgebaut und um einen zweigeschossigen Pavillon im Garten erweitert. Nach der Wende wurde das Gebäude von Jourdan & Müller Architekten hergerichtet. 2000 zog das BMBF ein, seit 2015 wird es vom Bundeswirtschaftsministerium genutzt.