Arnold Dreyblatt: Inschriften 2010
Das Gebäudeensemble des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz besteht aus dem Altbau Wilhelmstraße 54, dem Neubau an der Französischen Straße sowie aus dem Altbau der ehemaligen Hanns-Eisler-Musikschule auf der östlichen Seite. Als Kunst am Bau hat der in Berlin lebende US-amerikanische Medienkünstler und Komponist Arnold Dreyblatt, Jahrgang 1953, für jeden der vier Besprechungsräume jeweils vier quadratische Tafeln mit Textzeilen zur Geschichte der Gebäude und den Aufgaben des nun darin befindlichen Ministeriums entworfen. Es sind 110 x 110 Zentimeter große Lentikularbilder, deren „Wackelbild“-Technik je nach Betrachtungswinkel die Buchstaben, Wörter, Sätze oder Absätze erst verblassen, dann verschwinden und wieder neu hervortreten lässt. Die Bildtafeln des Erdgeschosses reflektieren die Nutzungsgeschichte der Altbauten. Die Bilder des zweiten Geschosses zitieren aus historischen landwirtschaftlichen Abhandlungen. Die Bilder der dritten Etage widmen sich der deutschen Agrarpolitik. Im abschließenden vierten Obergeschoss geht es um die zweite Ressortzuständigkeit des Ministeriums, um den Verbraucherschutz.
Aus fünf übereinander lagernden Textebenen tauchen Daten und Fakten, Postulate und Ideale, Hinweise auf politische Beschlüsse oder praktische Ratschläge auf und wechseln mit jeder Bewegung des Betrachtenden. Wo eben noch etwas zur Leistungsfähigkeit der „tierischen Erzeugung“ steht, finden sich im nächsten Augenblick Listen der Zoll- und Handelsabkommen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die visuell reduzierte Syntax, der Verzicht auf die diskursive Organisation der Texte, die Ausschnitthaftigkeit des Gesagten sowie die Aufhebung des Prinzips der Gleichzeitigkeit lassen die strukturelle Analogie der Bilder zu minimalistischer Musik erkennen, die durch die parataktische Hängung betont wird. Dabei sind die Tafeln weniger auf das vollständige Erfassen der Informationen angelegt als symbolisch gemeint. Sie sind Metaphern der Geschichte, die das Erinnern, Wissen und Vergessen in ihren bewussten und unbewussten Schichten und Bedeutungen thematisieren. M.S.
Weiterführende Literatur:
Martin Seidel (Autor), Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Hrsg.): Kunst am Bau im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Berlin o. J. (2016).
Kunst am Bau. Projekte des Bundes 2006-2013, hrsg. v. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Berlin 2014.
Installation
Lentrikulardruck, auf Aluminiumverbundplatte kaschiert
je 110 x 110 cm
48.000 €
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb mit 15 Teilnehmern
Altbau (ehem. Musikhochschule Hanns Eisler)
Besprechungsräume 1.-4. OG
nicht öffentlich zugänglich/einsehbar
Künstlergruppe : Arnold Dreyblatt
Arnold Dreyblatt, geboren 1953 in New York, ist Installations- und Performancekünstler sowie Komponist. Er studierte Medienkunst an der University at Buffalo, New York/USA und Komposition sowie Vergleichende Musikwissenschaften an der Wesleyan Universität, Middletown, Connecticut/USA. Seit 1984 lebt er vorwiegend in Berlin. 2007 wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin gewählt. Dreyblatts Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert, zudem realisierte er Kunst im öffentlichen Raum und Kunst-am-Bau, u. a. „Calendarium“ und „Inmates I & II“ (2014), Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, „Das Dossier“ (2013), Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, und „Inschriften“ (2010), Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Berlin.
Altbau (ehem. Musikhochschule Hanns Eisler)
Bauzeit: 1903
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Wilhelmstraße 54
10117 Berlin
Auf dem hinteren Grundstücksabschnitt des ehemaligen Geheimen Zivilkabinetts in der Wilhelmstraße 54 (ehem. Nr. 64) entstand 1903 ein Erweiterungsbau für das Preußische Justizministerium, das 1935 im Reichsjustizministerium aufging; 1949-2005 diente der Bau mit der General-Lotterie-Direktion der Deutschen Hochschule für Musik "Hanns Eisler" als Sitz. 2006-2010 wurde der Bau durch Anderhalten Architekten für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft saniert.