Norbert Kricke: Großer Wasserwald 1973
1970 gab es in Deutschland nur rund 150.000 Arbeitslose. Die Arbeitslosigkeit stieg jedoch nach einer Phase der Vollbeschäftigung durch Ölkrisen und Rezensionen ab Anfang der 1970er-Jahre an, sodass die Agentur für Arbeit heute etwa 100.000 Mitarbeiter hat, die die Arbeitssuchenden betreuen. Es wurden dementsprechend ab 1970 zahlreiche neue Arbeitsämter gebaut, und im Südosten von Nürnberg entstand 1970 bis 1973 das Verwaltungszentrum der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, bis heute bekannt als der Ort, von dem aus in regelmäßigen Abständen die aktuellen Arbeitslosenzahlen verkündet werden. Im Zentrum des 55.000 qm großen Grundstücks liegt das sternförmig angelegte Hochhaus, um das sich weitere Gebäudeteile gliedern. Die Grundrisse aller Gebäude sind geprägt durch die damals moderne Wabenstruktur. Die Bauten definieren in ihrer Mitte einen vieleckigen Vorplatz, auf dem der „Große Wasserwald“ des bekannten Bildhauers Norbert Kricke (1922-1984) platziert wurde, während im Foyer des Hauptgebäudes das „Sphärische Objekt“ von Adolf Luther Aufstellung fand.
Der „Wasserwald“ besteht aus 24 etwa zwei Meter hohen beleuchteten Acrylglasstelen. Diese sind in den Boden eingelassen und leiten in ihrem Inneren für den Betrachter nicht sichtbar Wasser nach oben. Dort tritt das Wasser aus und fließt die Säule wieder hinunter. Durch ihr durchsichtiges Material, die indirekte Beleuchtung und das Schimmern des hinunterfließenden Wassers bekommen die Stelen vor allem nachts eine besondere, fast schwebende Wirkung. Die Acrylglasoberfläche bleibt auch tagsüber hinter dem Wasser verborgen, sodass die Stelen eine ephemere Qualität bekommen. Schon 1956 hatte Kricke ein Konzept für einen Wasserwald entwickelt, das er erstmalig 1964 für die Rheinische Girozentrale in Düsseldorf realisierte. Die Nürnberger Arbeit ist nichtsdestotrotz ungewöhnlich für den Künstler, der zahlreiche Werke im öffentlichen Raum schuf. Meist sind dies Stahlplastiken, die in geschwungenen Formen wie dreidimensionale dynamische, stark gestische Zeichnungen wirken, die den Raum wie ein Blatt Papier benutzen und damit strukturieren und sichtbar machen. Sie fanden im In- und Ausland Aufstellung, Kricke gehört zu den führenden Vertretern der nicht figürlichen Plastik in Deutschland. Auch der „Wasserwald“ ist eine nicht figürliche und konzeptionelle Arbeit, die darüber hinaus eine poetische Qualität besitzt, die in Beziehung zu den Bauten der Agentur und ihren Aufgaben gesetzt ist. SvM
Weiterführende Literatur Online:
Anne Schmedding / Constanze von Marlin (Autoren), BMVBS (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes seit 1950. BMVBS-Online-Publikation 25/2012.
Claudia Büttner (Autorin), BMVBS (Hrsg.): Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland, BMVBS-Online-Publikation, Berlin 2011.
Weiterführende Literatur:
Norbert Kricke, hrsg. von Jürgen Morschel, Staatsgalerie Stuttgart, Ostfildern 1976.
Wolfgang Leuschner, Bauten des Bundes 1965–1980, hrsg. von Bundesministerium für Bauwesen, Raumordnung und Städtebau, Karlsruhe 1980, S. 66–69, S. 239.
A.-Kat. Norbert Kricke, Plastiken und Zeichnungen. Eine Retrospektive, hrsg. von Stephan von Wiese, Sabine Kricke-Güse, museum kunst palast, Düsseldorf 2006.
Installation
Acrylglas, Wasser, Beleuchtung
Höhe je Stele ca. 200 cm
Bundesagentur für Arbeit
Vorplatz
öffentlich zugänglich/einsehbar
Künstler : Norbert Kricke
Norbert Kricke (1922 Düsseldorf – 1984 Düsseldorf) vollendete sein Bildhauerstudium 1946 als Meisterschüler von Richard Scheibe an der Akademie der Künste in Berlin. Von 1964-81 wirkte er an der Kunstakademie Düsseldorf, die er seit 1972 leitete. Kricke gehört zu den wichtigsten abstrakten Künstlern der Nachkriegsmoderne. Die erste und bekannteste Variation seiner Schleifenskulpturen auf Betonsockel aus dem Jahr 1960 zeigte der Bildhauer auf der Weltausstellung Montreal 1967. Die unter dem Namen Große Mannesmann bekannt gewordene Skulptur steht heute vor dem Mannesmann AG/Vodafone Hochhaus in Düsseldorf. Später schuf er auch Wasserkinetik, u.a. den Großen Wasserwald der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg (1973). Weitere Aufträge der Kunst am Bau im Auftrag des Bundes realisierte der Künstler in Bonn für das Abgeordneten-Bürohochhaus „Langer Eugen" – den heutigen UN-Campus – und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 1984. Zu Arbeiten für kulturelle Einrichtungen zählen seine Wandplastik im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen 1959 und das Kräftebündel am Rheinischen Landesmuseum in Bonn 1967.
Bundesagentur für Arbeit Nürnberg
Architektur: Fischer, Krüder, Rathai Architekten
Bauzeit: 1970-1973
Zentrale der Bundesagentur für Arbeit
Regensburger Straße 104
90478 Nürnberg
Bayern
1951 Beschluss des Bundestags zur Einrichtung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BAVAV) in Nürnberg. 1970-1973 Neubau des Baukomplexes durch die Wiesbadener Architekten Fischer, Krüder, Rathai.