Renate Anger: Ein Falter: Catocala nupta/Rotes Ordensband 2002

  • Renate Anger: Ein Falter: Catocala nupta/Rotes Ordensband, 2002 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / André Kirchner (2001)

    Renate Anger: Ein Falter: Catocala nupta/Rotes Ordensband, 2002 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / André Kirchner (2001)

  • Renate Anger: Ein Falter: Catocala nupta/Rotes Ordensband, 2002 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / André Kirchner (2001)

    Renate Anger: Ein Falter: Catocala nupta/Rotes Ordensband, 2002 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / André Kirchner (2001)

  • Renate Anger: Ein Falter: Catocala nupta/Rotes Ordensband, 2002 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / André Kirchner (2001)

    Renate Anger: Ein Falter: Catocala nupta/Rotes Ordensband, 2002 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: BBR / André Kirchner (2001)

Der preisgekrönte Entwurf der Berliner Künstlerin Renate Anger (1943-2008) für den Stauffenbergsaal des heutigen Berliner Dienstsitzes des Bundesministeriums der Verteidigung lässt sich ohne die historischen Hintergründe der Nutzungsgeschichte des Gebäudes nur bedingt verstehen. Der sogenannte Bendlerblock ist ein Gebäudekomplex im Berliner Ortsteil Tiergarten. Das vom Architekturbüro Reinhardt & Süßenguth mit neoklassizistischen und neobarocken Stilelementen entworfene Gebäude wurde für die obersten Marinedienststellen errichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg war darin das Reichswehrministerium und während des Nationalsozialismus das Oberkommando der Wehrmacht untergebracht. Claus Schenk Graf von Stauffenberg hatte in einem 1938 errichteten Erweiterungsbau seinen Dienstsitz. Als die durch Stauffenberg und seine Mitverschwörer geplante Entmachtung Hitlers unter dem Namen „Operation Walküre“ am 20. Juli 1944 aufflog, wurden er und drei weitere Widerstandskämpfer im Hof des Bendlerblocks standrechtlich erschossen. Seit 1953 erinnert dort eine Bronzefigur von Richard Scheibe an das tragische Ereignis. Im Zuge der Herrichtung des Gebäudes für das Ministerium der Verteidigung gegen Ende der 1990er-Jahre lud der Kunstbeirat der Bundesregierung fünf Künstler zur Teilnahme an dem beschränkten Wettbewerb für den Stauffenbergsaal ein. Zielstellung für die Entwürfe war eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der wechselvollen Geschichte und der Nutzung des Gebäudes.
Die Fotoarbeit „Ein Falter: Catocala nupta/Rotes Ordensband“ aus acht Einzelbildern von Renate Anger überzeugte die Jury. Sie zeigen in einer poetisch verweisenden Ikonographie einen Schmetterling, das „Rote Ordensband“ (Catocala nupta). Die Fotos sind mit pigmentierten Tinten auf einen leinwandähnlichen Stoff übertragen. Bei einer Gesamtlänge von 17 Metern und einer Höhe von 120 Zentimetern nimmt die Sequenz die gesamte innenliegende Längsseite des im ersten Stock zum Reichpietschufer hin gelegenen Raumes ein.
Renate Angers Kunst baut zum Standort in seiner historischen und aktuellen Bewandtnis vielfältige Bezüge auf. Dass sie speziell das „Rote Ordensband“ dargestellt hat, dürfte bereits dessen Namen zu danken sein und der Funktion des Saales. Denn der dient – worauf die Auslober des Kunstwettbewerbs ausdrücklich hingewiesen haben – als Besprechungs- und offizieller Empfangsraum und zur Verleihung von Orden. In allgemeiner Symbolik und in stillschweigender Opposition zu Gewalt, Zerstörung und Krieg steht der Schmetterling positiv für Leichtigkeit, Unbeschwertheit, Schönheit. Die altgriechische Gleichsetzung von Schmetterling mit „Hauch“, „Atem“ und „Seele“ ist in der abendländischen Kulturgeschichte fest verwurzelt. Von hier wiederum ergeben sich Verbindungen zum Gedenken an den Grafen von Stauffenberg. Eine Bedeutung hinsichtlich des Selbstverständnisses der Bundeswehr als Verteidigungsarmee erlangt schließlich die Fähigkeit des braungrauen Falters zur Tarnung: Bei Gefahr zeigt er die schwarzrote Schreckfärbung, in Ruhestellung dagegen passt er sich der Umgebung an.
Die Bilder setzen den Schmetterling wirkungsvoll gegen einen hellen, neutralen Grund. Sie fügen sich zu einem eleganten Fries, der den Konferenzsaal mit seinen Funktionsanforderungen – Stühle, Tische, Projektionsfläche, Akustikdecke, Fenster der Dolmetscherkabinen, Lautsprecher – vor allem rhythmisch belebt. Dabei korrespondieren die variierenden Motivanordnungen mit den darunter die Wand entlang wandernden Sonnenlichtfeldern. SvM / M.S. / J.S.

Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel / Johannes Stahl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes von 1980 bis 2010. BBSR-Online-Publikation 13/2014, Bonn, Dezember 2014.
Anne Schmedding / Constanze von Marlin (Autoren), BMVBS (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes seit 1950. BMVBS-Online-Publikation 25/2012.

Weiterführende Literatur:
Claudia Büttner (Autorin), BMVBS (Hrsg.): Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland, BMVBS-Online-Publikation, Berlin 2011, S. 115 f.
Kunst am Bau. Die Projekte des Bundes in Berlin, hrsg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (BMVBW), Berlin 2002, S. 214 f.


Print
pigmentierte Tinten auf Rexam Stretch Canvas (Piezo Print), auf Holzrahmen gespannt
1,20 x 17,05 m
100.000 €
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb mit 5 Teilnehmern

Bundesministerium der Verteidigung
Konferenzsaal (Stauffenbergsaal)
nicht öffentlich zugänglich/einsehbar

Künstlerin : Renate Anger

Renate Anger (1943 Danzig - 2008 Berlin) war Malerin und Konzeptkünstlerin. Sie studierte von 1973 bis 1977 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste - Städelschule in Frankfurt (Klasse Raimer Jochims) und weitere drei Jahre an der Hamburger Hochschule für bildende Künste bei Franz Erhard Walther. Von 1992 bis 1998 hatte Anger eine Professur für Experimentelle Malerei an der Muthesius-Hochschule Kiel inne. Sie erhielt 2002 den Käthe-Kollwitz-Preis. Ihre Werke waren in zahlreichen Ausstellungen, unter anderem 1987 auf der 4th International Triennial of Drawing in Wrocław (Breslau)/Polen und auf der Biennale in Sydney/Australien sowie 2003 auf der 6th Sharjah International Art Biennial in Schardscha/Vereinigte Arabische Emirate zu sehen. Kunst am Bau beziehungsweise Kunst im öffentlichen Raum schuf sie u. a. für die Mensa der Fachhochschule Kiel (2000).

Bundesministerium der Verteidigung

Architektur: Reinhardt & Süßenguth
Bauzeit: 1911-1914

Bundesministerium der Verteidigung
Stauffenbergstraße 18
10785 Berlin

Das 1914 errichtete Reichsmarineamt wurde 1919-37 vom Reichswehrministerium und 1938-45 vom Oberkommando der Wehrmacht und der Kriegsmarine genutzt. Ab den 1950er-Jahren waren verschiedene Bundesbehörden darin untergebracht, 1968 erfolgte die Einrichtung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Seit 1993 ist der Bau Sitz des Bundesministeriums der Verteidigung, wofür er 1997-2001 umfassend saniert und hergerichtet wurde.