Walter Womacka: Aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 1964
Nach dem Tod des damaligen Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, wurde 1960 ein kollektiver Staatsrat eingesetzt, für den von 1962 bis 1964 das Staatsratsgebäude der DDR nach den Plänen des Architektenkollektivs Roland Korn und Hans-Erich Bogatzky errichtet wurde. Der Bau ist ein dreigeschossiger Stahlskelettbau, der mit Sandstein und rotem Granit verkleidet wurde. Das ehemalige Portal IV des abgerissenen Berliner Stadtschlosses, von dessen Balkon Karl Liebknecht 1918 die sozialistische Republik ausgerufen hatte, wurde auf der Lustgartenseite in die Front des Staatsratsgebäudes eingefügt. Die Übernahme der Proportionen und der Geschosshöhen des Schlossrisalits hatte im Inneren des Neubaus ein großzügiges Haupttreppenhaus zur Folge. Dort befinden sich die gebäudehohen, farbigen Glasfenster mit Szenen „Aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ von Walter Womacka. Das Glasbild zeigt auf 180 Quadratmetern über drei Stockwerke hinweg eine Verherrlichung der Arbeiterklasse aus Sicht der SED und Idealbilder des Lebens in der DDR mit typisierten Menschenbildern. Eine glückliche Familie mit Kind auf dem Arm wird umrahmt von industriellen Produktionsstätten und Arbeitern. Der Übergang zum darunterliegenden Stockwerk wird durch die Darstellung weißer Tauben und einem tanzendem Reigen überbrückt. Mit den Porträts von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sowie dem Satz „Trotz alledem!“ schlägt Womacka die Brücke zu dem aus ideologischen Gründen baulich eingefügten Schlossportal. Walter Womacka war als Vertreter des sozialistischen Realismus einer der führenden Künstler im Bereich der Kunst am Bau der DDR und wurde gleich für mehrere Kunst-am-Bau-Projekte an Ministeriumsbauten beauftragt. Die Wandgestaltungen Womackas an öffentlichen Gebäuden zeigen den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie Gedanken an Fortschritt und Zukunft. Das monumentale Glasfenster wurde nicht in traditionellen Herstellungstechniken sakraler Glaskunst wie der Blei-Verglasung ausgeführt, sondern in einer dem Staat und der Ideologie angemessenen Herstellungsweise. Die Applikation von kleineren, farbigen Gläsern auf eine großflächige Trägerglasplatte führte zu dem gewünschten modernen und strahlenden Eindruck, der als adäquate Entsprechung der angestrebten glanzvollen sozialistischen Zukunft galt. LK
Weiterführende Literatur Online:
Anne Schmedding / Constanze von Marlin / Anna-Sophie Laug / Lisa Kreft (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 150 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes seit 1950, BBSR-Online-Publikation 02/2019, März 2019.
Glasarbeit
farbige Gläser, auf eine großflächige Trägerglasplatte appliziert
180 qm
Direktvergabe
European School of Management and Technology
Große Treppenhalle
während der Öffnungszeiten zugänglich
Künstler : Walter Womacka
Walter Womacka (1925 Obergeorgenthal, heute Horní Jiřetín/Tschechien - 2010 Berlin) arbeitete als Maler und Grafiker und schuf zahlreiche architekturgebundene Arbeiten im Auftrag der DDR. Nach einer Ausbildung zum Zimmer- und Dekorationsmaler in Teplitz-Schönau (heute Teplice/Tschechien) studierte Womacka Gebrauchsgrafik in Braunschweig und befasste sich erstmals mit Glastechnik. In den 1950er Jahren widmete er sich der Wandmalerei in Weimar und Dresden bei Fritz Dähn und Rudolf Bergander. Über zwanzig Jahre lang leitete er die Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Von 1959 bis 1988 war er Vizepräsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR und nahm allein drei Nationalpreise der DDR entgegen. Zu seinen baugebundenen Werken zählen u. a. in Berlin die Wandbilder für das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR und das Ministerium für Bauwesen der DDR, der Brunnen der Völkerfreundschaft in Berlin und das Relief für das Haus des Reisens.
European School of Management and Technology
Architektur: Architektenkollektiv Roland Korn und Hans-Erich Bogatzky
Bauzeit: 1962-64
European School of Management and Technology
Schlossplatz 1
10178 Berlin
Das Staatsratsgebäude wurde 1962-64 als erstes Repräsentationsgebäude der DDR nach dem Mauerbau errichtet. Nach der Wende diente es seit 1996 als Sitz des Umzugsbeauftragten der Bundesregierung, von 1999 bis 2001 als provisorischer Sitz der Bundesregierung. 2004 übernahm die ESMT das Gebäude. Nach einer umfassenden Modernisierung durch das Büro HG Merz wurde die ESMT im Januar 2006 eröffnet.