Barbara Stehr: Ästhetik der Ballistik 1989

  • Barbara Stehr: Ästhetik der Ballistik, 1989 / © Barbara Stehr; Fotonachweis: Archiv BMVg

    Barbara Stehr: Ästhetik der Ballistik, 1989 / © Barbara Stehr; Fotonachweis: Archiv BMVg

Das Gelände der ehemaligen Dithmarsen-Kaserne befindet sich in der Gemeinde Albersdorf in Schleswig-Holstein. 1963 wurde die Kaserne als Truppenunterkunfts-und Ausbildungszentrum für die Bundeswehr errichtet, in den 1980er-Jahren kamen einige Bürogebäude und Lagerhallen hinzu. Die Bauten sind mit dunkelrot gebrannten Klinkerfassaden ausgeführt, die typisch für die Architektur Schleswig-Holsteins sind. Im Zuge der Ausbauten der 1980er-Jahre wurden Aufträge für Kunst am Bau vergeben. Die Keramikkünstlerin Barbara Stehr (*1936) setzte sich in einem beschränkten Wettbewerb mit vier Teilnehmern mit einem Entwurf durch, der sich auf vielfältige Weise mit dem Ort auseinandersetzt. Sie setzte an die Eckgewände des Haupteingangs des neu errichteten Stabsgebäudes blau-weiße Keramikplatten. Die je 49 mal 49 cm großen Platten zeigen blaue und weiße Strahlen, die sich trompetenförmig auffächern. Im Zusammenhang mit dem Titel „Ästhetik der Ballistik“ erinnern die Bogenformationen an Schleuderbahnen von fächerförmig angeordneten Geschossen. Die Künstlerin nimmt damit Bezug auf die militärischen Aufgaben der Bundeswehr. Gleichzeitig betont sie mit der Ausschmückung die herausgehobene Funktion des Stabsgebäudes als Zentrum des Kasernengeländes. Die künstlerische Ausgestaltung von Gewänden hat ihren historischen Ursprung in der Ausschmückung von Kirchenportalen, auch für den Profanbau sind künstlerisch gestaltete Eingangsgewände bis in das frühe 20. Jahrhundert zu finden. Dabei wird die Gestaltung zunehmend abstrakter, ähnlich ornamental wie die Keramiken von Stehr sind Arbeiten aus demselben Material aus der Zeit des Art Déco der 1930er-Jahre. Die Eckgewände des Stabsgebäudes nehmen die kleinteilige Struktur der Klinkerfassade auf, setzen sich aber durch die andere Farbigkeit deutlich ab. Die blau-weißen Keramikplatten erinnern zudem an die Farbtöne der Delfter Kacheln, die sich auch in Friesland großer Wertschätzung erfreuten. Barbara Stehr nimmt die historische Form und das Material also bewusst wieder auf und überträgt es für den spezifischen Ort, indem sie auf vielen Ebenen auf die Geschichte und die Funktion Bezug nimmt. Zudem hat das Werk eine überzeugende ästhetische Präsenz. Stehr hat in Albersdorf eines ihrer wenigen Kunst-am-Bau-Werke realisiert. Bekannt wurde sie vor allem als Keramikkünstlerin, die Kunst-sowie Gebrauchsobjekte entwirft. An der Fachhochschule Koblenz baute sie ab 1987 das Institut für Künstlerische Keramik auf, das bis heute einen internationalen Ruf genießt. Seit 2007 ist die Dithmarsen-Kaserne geschlossen und wird als Büro-und Gewerbegebiet genutzt. Das Kunstwerk besteht noch. SvM

Weiterführende Literatur Online:
Anne Schmedding / Constanze von Marlin (Autoren), BMVBS (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes seit 1950. BMVBS-Online-Publikation 25/2012.

Weiterführende Literatur:
A.-Kat. Christine Atmer de Reig, Antje Brüggemann, Barbara Stehr, Keramion Galerie für zeitgenössische keramische Kunst, Frechen 1984.


Fassadenarbeit
blau-weiß gesinterte Keramikplatten
Gewände je 225 x 50 cm; Keramikplatten à 49 x 49 cm
13.732 €
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb

Transportgemeinschaft Schleswig-Holstein eG (ehem. Stabsgebäude)
Gewände am Eingang des ehem. Stabsgebäudes
öffentlich zugänglich/einsehbar

Künstlerin : Barbara Stehr

Barbara Stehr (* 1936 in Weetzen bei Hannover; lebt in Tornesch) ist Keramikerin. Nach der Grundausbildung an der Werkkunstschule in Hannover und Studium an der Hochschule für bildende Künste nach Hamburg brachte sie der Kontakt mit dem dort lehrenden Bontjes van Beek endgültig zur Keramik. Besonders wichtig ist für Stehr der Einsatz der Glasuren. Nach einem ersten Atelier in Hamburg-Altona und zahlreichen Preisen bekam sie 1987 eine Professur an der Fachhochschule in Höhr-Grenzhausen (heute Hochschule Koblenz). Dort baute sie das Institut für Künstlerische Keramik auf, das heute internationalen Ruf genießt. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, arbeitet sie heute in ihrem Atelier in Tornesch. Kunst am Bau hat sie nur vereinzelt realisiert, unter anderem gemeinsam mit ihrem Ehemann Hermann Stehr (1937-1993) für das Amtsgericht in Niebüll sowie für die ehemalige Dithmarsen-Kaserne in Albersdorf.

Transportgemeinschaft Schleswig-Holstein eG (ehem. Stabsgebäude)

Architektur: unbekannter Architekt
Bauzeit: 1960-1963

Dithmarsen-Park (ehem. Dithmarsen-Kaserne)
Dithmarsenpark 50
25767 Albersdorf
Schleswig-Holstein

Die Dithmarsen-Kaserne wurde zwischen 1960 und 1963 erbaut. Sie beherbergte zwischen 1964 und 2007 hauptsächlich Artillerie-, ABC-Abwehr- und Pioniereinheiten. Nach Aufgabe der Kaserne 2007 wurde das Areal zum "Dithmarsen Park" mit Büro- und Gewerbeeinheiten umgenutzt.