François Morellet: All-Over Strukturen 1976
Als Verteidigungsminister initiierte Helmut Schmidt Anfang der 1970er-Jahre die Gründung zweier Bundeswehruniversitäten in Deutschland, zu denen auch die seit 2003 nach ihm benannte Universität der Bundeswehr in Hamburg zählt. Seither gehört ein interdisziplinär angelegtes wissenschaftliches Studium zur Offiziersausbildung, um den immer komplexer werdenden beruflichen Anforderungen zu genügen, die Attraktivität des Offiziersberufs zu erhöhen und Zeitsoldaten auf eine zivile Karriere vorzubereiten.
Mit dem Bau des Campus wurde das Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner betraut. Im Zuge dieser Neubaumaßnahmen entstanden Kunst-am-Bau-Werke von Alf Lechner, Kenneth Snelson, Ansgar Nierhoff und Erich Reusch. Herausragendes Beispiel für die Integration von Kunst in die Architektur ist die Arbeit des international bekannten französischen Künstlers François Morellet (1926-2016) für die Mensa. Die Architektur besteht aus einem zweigeschossigen kubischen Pavillon, in dessen aufgeständertem ersten Stock der Speisesaal liegt. Die Konstruktion ermöglichte die komplett verglaste Fassade und einen weitgehend freien, nur durch Stützen strukturierten Raum. Die Wettbewerbsaufgabe bestand darin, den oktogonalen Kern der Mensa, der die funktionellen Bereiche beherbergt, in beiden Geschossen künstlerisch zu gestalten.
Der Entwurf von Morellet überzeugt durch die farbige Übersetzung der orthogonalen und oktogonalen Elemente der Architektur. In einem geordneten Verlauf verdichten sich rote Linien und Kreuzformen vor blauem Untergrund, sodass an verschiedenen Stellen der Wand eher die Farbe Rot oder die Farbe Blau dominiert. Bereits in den 1950er-Jahren entwickelte der renommierte Vertreter der konkreten Kunst verschiedene Systematiken des Umgangs mit gestalterischen Grundelementen wie Aneinanderreihung, Überlagerung und Fragmentierung, um sie seit den 1970er-Jahren auch für Kunst am Bau anzuwenden. Morellet greift in seiner Hamburger Arbeit die Linien der Architektur auf, spielt sie geometrisch durch, schlägt einen eigenen Rhythmus an und setzt der nüchternen Stahl-Glas-Ästhetik kräftige Farben entgegen, was in dem groß dimensionierten Speisesaal eine Vielzahl faszinierender optischer Eindrücke ermöglicht. SvM
Weiterführende Literatur Online:
Anne Schmedding / Constanze von Marlin (Autoren), BMVBS (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes seit 1950. BMVBS-Online-Publikation 25/2012.
Weiterführende Literatur:
70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland, Ausstellungskatalog, hrsg. v. Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Berlin 2020.
Robert Häusser, Dieter Honisch, Kunst Landschaft Architektur. Architekturbezogene Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1983, S. 132 f.
A.-Kat. François Morellet: Senile Lines and Others, Galerie Dorothea van der Koelen, Kunsthalle Dammweg, Mainz 2006.
Wandarbeit
Email auf Stahlblech
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb
Mensagebäude M1
Mensa
öffentlich zugänglich/einsehbar
Künstler : François Morellet
François Morellet (geboren 1926 in Cholet und gestorben ebenda 2016) war ein vielseitiger Künstler. Seit Mitte der 1940er Jahre beschäftigte er sich mit - oftmals an Rastern ansetzenden - geometrischen Strukturen. Dabei nutzt er die unterschiedlichsten Medien wie Malerei, Licht, Bildhauerei oder Grafik. Morellets Arbeiten sind international in wichtigen Museen anzutreffen. Als Mitbegründer der Künstlergruppe Groupe de Recherche d’Art Visuel hat er sich intensiv mit baubezogener Kunst beschäftigt und dafür den Begriff "Désintégrations architecturales" geprägt. Seine vielfach auf starken Kontrasten aufbauenden Farbgestaltungen von Wänden prägen Orte wie die Mensa der Hochschule der Bundeswehr in Hamburg oder das Institut Français in Bonn. Lichtarbeiten von Morellet sind in den zum Deutschen Bundestag gehörenden Paul-Löbe-Haus und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin als Kunst am Bau vertreten.
Mensagebäude M1 Hamburg
Architektur: Heinle, Wischer und Partner Architekten
Bauzeit: 1970-1976
Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr
Holstenhofweg 85
22043 Hamburg
Die Mensa wurde wie die übrigen Bauten des Gebäudeensembles von Heinle, Wischer und Partner geplant. 1976 waren das Hauptgebäude, die Mensa, die Werkhalle und die zentrale Versorgungsanlage sowie 862 Studentenwohnungen bezugsfertig. Seit 2017 steht das Ensemble unter Denkmalschutz.